Zustellung und Empfang im Mietrecht

Wenn Mietende und Vermietende in entscheidenden Fragen korrespondieren, ist die Zustellung bzw. der Empfang für die Auslösung oder Wahrung von Fristen entscheidend. Die Zustellung bzw. der Empfang löst Fristen aus und ist in folgenden Situationen relevant:

  • Kündigung
  • Kündigungsandrohung
  • Mietzinserhöhung
  • Schlichtungsbehörden und Gerichte

Empfangstheorie

Wird eine eingeschriebene Sendung beim ersten Zustellversuch der Post vom Postboten gegen Unterschrift entgegen genommen, wird sie in dem Moment zugestellt.

Die Empfangstheorien sind dann relevant, wenn eine eingeschriebene Sendung nicht beim ersten Zustellversuch der Post entgegengenommen und / oder bis zum Ablauf der Abholfrist nicht abgeholt wird.

Im Mietrecht kommen sowohl die absolute als auch die relative Empfangstheorie zur Anwendung.

Nach der absoluten Empfangstheorie gilt eine nicht sogleich in Empfang genommene eingeschriebene Sendung dann als zugestellt, wenn der Empfänger sie erstmals bei der Post abholen kann. Das ist in der Regel der nächste Werktag. Der Postbote legt einen Abholzettel in den Briefkasten, auf welchem vermerkt ist, wann die Sendung erstmals abgeholt werden kann. Wird die Sendung an dieser ersten Gelegenheit nicht abgeholt, gilt sie dennoch als zugestellt (Zustellfiktion).

Nach der relativen Empfangstheorie gilt eine nicht sogleich in Empfang genommene eingeschriebene Sendung nach Ablauf einer siebentägigen Abholfrist als zugestellt, wenn sie bis dahin nicht abgeholt wird (Zustellfiktion).

Der Empfänger kann nach Ablauf der Abholfrist die Sendung nicht mehr bei der Post abholen, sie wird an den Absender zurückspediert. Der Empfänger sollte sich bei der Post nach dem Absender und dann beim Absender nach dem Inhalt der Sendung erkundigen (BGE 143 III 15 E.4).


Übersicht

Absolute EmpfangstheorieRelative Empfangstheorie
Kündigung
BGE 143 III 15
 Kündigungsandrohung (Art. 257d OR)
BGE 137 III 208, bestätigt in BGer 4A_451/2011, E.3.1
 Anzeige Mietzinserhöhung (Art. 269d OR)
BGE 107 II 189, E.2, BGE 137 III 208, E.3.1.3
 Zustellungen der Schlichtungsbehörde oder des Gerichts (Art. 138 Abs. 3 ZPO)

Kündigung

Empfangstheorie

Bei Kündigungen gilt die absolute Empfangstheorie (BGE 143 III 15). Wird die Kündigung beim ersten Zustellversuch nicht sogleich in Empfang genommen, gilt sie als zugestellt am ersten Tag, an dem die Sendung bei der Post abgeholt werden kann (Zustellfiktion).

Der Empfang bzw. die Fiktion der Zustellung am ersten möglichen Tag der Abholung der Kündigung löst die Frist zur Anfechtung der Kündigung bzw. zur Beantragung einer Erstreckung aus (Art. 273 Abs. 1 u. 2 OR).

Will eine Partei das Mietverhältnis kündigen, sollte sie die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das Kündigungsschreiben nicht sofort zugestellt wird, sondern bei der Post abgeholt werden muss.

Eheleute und eingetragene Partnerschaft

Will der Vermietende den Mietvertrag einer Wohnung eines Ehepaars oder eines Paars in eingetragener Partnerschaft kündigen, muss die Kündigung zwingend an beide Partner separat zugestellt werden (Art. 266n OR). Wird diese Vorschrift nicht eingehalten, ist die Kündigung nichtig (Art. 266o OR).

Ist einer der Partner beim ersten Zustellversuch der Post zu Hause, werden die Kündigungsschreiben in den allermeisten Fällen für beide Partner übergeben. Die Frist zur Anfechtung der Kündigung bzw. zur Stellung eines Erstreckungsgesuches beginnt am Folgetag des Empfangs zu laufen.

Ist keiner der Partner zu Hause, wird eine Abholungseinladung in den Briefkasten gelegt. Die Kündigungen gelten als zugestellt am ersten Tag, an dem sie bei der Post abgeholt werden können (Zustellfiktion). Die Frist für Anfechtung bzw. Erstreckung beginnt am Folgetag des fingierten Empfangs zu laufen.

Wird ausnahmsweise das Kündigungsschreiben von einem Partner vom Postboten entgegen genommen, dasjenige für den anderen Partner jedoch nicht, ist zu differenzieren.

Besteht keine Weisung an die Post, dass der Partner im gleichen Haushalt eingeschriebene Sendungen nicht entgegennehmen darf, kann die Nichtentgegennahme des Schreibens für den Partner als ausdrückliche Annahmeverweigerung angesehen werden. Eine ausdrückliche Annahmeverweigerung gilt als Empfang.

Hat der Partner im gleichen Haushalt dagegen die Post angewiesen, dass eingeschriebene Sendungen an ihn von keinem anderen Haushaltsmitglied entgegen genommen werden dürfen, liegt keine ausdrückliche Annahmeverweigerung vor.

Damit besteht die (theoretische) Möglichkeit, dass die Kündigung dem einen am letzten Tag des Monats zugestellt wurde, dem anderen jedoch erst im Folgemonat. Das hat Folgen für den Beginn der Kündigungsfrist und für die Frist zur Anfechtung bzw. Erstreckung des Mietverhältnisses.

Konkubinatspaar und andere Mehrheiten von Mietenden

Konkubinate gelten in der Regel als einfache Gesellschaft.

Die Kündigung des Vermietenden an die Konkubinatspartner muss nicht an diese separat zugestellt werden. Es genügt, wenn die Kündigung beide Konkubinatspartner nennt und einem von ihnen zugestellt wird. Kann die Kündigung beim ersten Versuch nicht zugestellt werden, gilt die absolute Empfangstheorie.

Die Kündigung der Konkubinatspartner muss von allen Konkubinatspartnern unterschrieben werden. Alternativ kann einer der Partner kündigen, benötigt dazu aber eine Vollmacht des anderen.

Dasselbe gilt auch für andere Mehrheiten von Mietenden, da sie in der Regel ebenfalls (hinsichtlich des Mietverhältnisses) eine einfache Gesellschaft bilden.


Kündigungsandrohung

Der Vermieter kann bei Zahlungsverzug des Mieters diesem eine Zahlungsfrist ansetzen und die Kündigung für den Fall der Nichtzahlung androhen. Wird nicht gezahlt, kann der Vermieter ausserordentlich kündigen (Art. 257d OR).

Empfangstheorie

Wird eine Kündigungsandrohung direkt entgegengenommen, ist sie zugestellt und die Zahlungsfrist läuft ab dem Folgetag der Zustellung.

Wird sie dagegen nicht entgegengenommen, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die relative Empfangstheorie (BGE 137 III 208, bestätigt in BGer 4A_451/2011, E.3.1). Die nicht abgeholte Kündigungsandrohung gilt erst mit Ablauf der Abholungsfrist als zugestellt und die Zahlungsfrist beginnt erst am Folgetag des letzten Tages der Abholfrist zu laufen.

Ehepaar oder eingetragene Partnerschaft

Die Kündigungsandrohung des Vermieters an ein Ehepaar oder ein Paar in eingetragener Partnerschaft muss mit separaten Schreiben an diese gesandt werden (Art. 266n OR).

Werden die Kündigungsandrohungen gleichzeitig zugestellt, beginnt die Zahlungsfrist am Folgetag zu laufen. Werden sie nicht abgeholt, beginnt die Zahlungsfrist am Folgetag des letzten Tages der Abholfrist zu laufen (relative Empfangstheorie).

Werden die Kündigungsandrohungen an unterschiedlichen Tagen entgegen genommen bzw. abgeholt, hat dies Folgen für den Beginn Zahlungsfrist.

Konkubinat und andere Mehrheiten von Mietenden

Bei Konkubinatspaaren oder anderen Mehrheiten von Mietenden in einfacher Gesellschaft genügt die Zustellung der Kündigungsandrohung an einen der Mietenden, solange alle Mieter in der Kündigungsandrohung genannt werden.


Mietzinserhöhung

Mietzinserhöhungen und andere einseitige Vertragsänderungen durch den Vermietenden müssen den Mietern mit amtlichem Formular mitgeteilt werden und zwar mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist (Art. 269d OR).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt für die Anzeige einer Mietzinserhöhung die relative Empfangstheorie (BGE 107 II 189, E.2, BGE 137 III 208, E.3.1.3).


Zustellungen von Schlichtungsbehörden und Gerichten

Für Zustellungen von Schlichtungsbehörden und Gerichten gilt die Regelung in Art. 138 ZPO. Die Zustellung kann fristauslösend sein, bspw. eine Frist zur Stellungnahme, die Frist das Mietgericht anzurufen oder eine Rechtsmittelfrist.

Nicht abgeholte, eingeschriebene Postsendungen gelten als am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellversuch als zugestellt, sofern der Empfänger mit einer Zustellung rechnen musste (Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO). Damit gilt die relative Empfangstheorie für nicht entgegen genommene Sendungen.



Fragen zum Thema?

Ich stehe Ihnen sehr gerne beratend zur Seite. Kontaktieren sie mich ungeniert.